Ein Blog von Studenten für Kids.

Autor: Nina Vollkommer

Bearbeitung der Leitfragen

Im Rahmen unserer Projektarbeit im Seminar „Erzählen von einem Land, das nicht mehr existiert – Die DDR in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur“ haben wir uns mit verschiedenen Leitfragen auseinandergesetzt, die unsere Arbeit und Analyse begleitet haben. Wir möchten im Folgenden in Form eines Interviews über die gestellten Leitfragen austauschen und in diesem Kontext die gelesenen kinder- und jugendliterarischen Texte der Wendeliteratur miteinander vergleichen.

1. Welches Wissen und welche Vorstellungen von und über die DDR werden in den kinder- und jugendliterarischen Texten vermittelt?

2. Sehen Sie sich die Paratexte an (Klappentext, Cover, Widmung, Vorwort, Nachwort, etc.). Spielen diese im Hinblick auf das Seminarthema eine besondere Rolle?

3. Was wird aus dem historischen Material (Mimesis I) ausgewählt, welche Prinzipien waren für die Auswahl leitend, von welchen Modellen bzw. narrativen Schemata wurden sie gesteuert? (Gansel 2010, S. 35)

4. Wie sind die Proportionen der literarischen Darstellung geartet? Welche Ereignisse, Denk- und Verhaltensweisen der Figuren werden dargestellt, welche ausgelassen? (Gansel 2010, S. 35)

5. Wie und durch wen erfolgt ihre Bewertung, in welchen Kontext sind sie gestellt und welches Beziehungsgeflecht (Erzähler, Figuren, Raum) wird aufgebaut? (Gansel 2010, S. 35)

6. Wie hat die kindliche Perspektive jeweils Einfluss auf das Dargestellte und welche Funktion übernimmt sie?

Barth, M. (2009). Mit den Augen des Kindes: Narrative Inszenierungen des kindlichen Blicks im 20. Jahrhundert. Heidelberg: Universitätsverlag.

Warum sollten Kinder und Jugendliche Literatur über die DDR und die Wende lesen?

Die Frage müsste eher lauten: Warum nicht? Auch wenn die Forschung über die zeitgeschichtliche Kinder- und Jugendliteratur noch sehr jung ist, sind sich nicht nur Literaturwissenschaftler, sondern auch viele Lehrer, Eltern und Politiker einig, dass das Lesen von Wendeliteratur viele positive Auswirkungen hat.

Einer dieser positiven Effekte ist, dass die Wendeliteratur als Teil einer sogenannten Erinnerungskultur „Zugänge zur Zeitgeschichte ermöglicht“ (Josting 2008, S. 40). So beschreibt es die Universitätsprofessorin für Germanistische Literaturdidaktik Petra Josting in ihrem Artikel „Wendeliteratur für Kinder und Jugendliche“. Unter Erinnerungskultur werden allgemein alle „bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse“ (Cornelißen 2003, S. 548) verstanden. Dabei stellen sich die Individuen einer sozialen Gruppe die Frage „Was darf nicht vergessen werden?“. Da sich nun auch junge und vor allem neugierige Leserinnen und Leser sich mit dem Thema auseinandersetzen, regt das Lesen von Wendeliteratur auch den Austausch zwischen verschiedenen Generationen an (vgl. Josting 2008, S. 40). Kinder und Jugendliche kommen so ins Gespräch mit Eltern, Großeltern und andere Zeitzeugen und tauschen sich gegenseitig über ihre Leseerfahrungen aus.

Die Wiedervereinigung Deutschlands ist nun über 30 Jahre lang her und um ein Bewusstsein über die Geschichte Deutschlands zu vermitteln ist es wichtig, dass die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands auch heute noch thematisch behandelt werden. Beim Lesen werden nämlich sowohl kulturelles Wissen als auch „literarisch-kulturelle Traditionen“ (vgl. Glasenapp/Wilkending 2005, S. 8; zitiert in Josting 2008, S. 40) vermittelt. Medien des kollektiven Gedächtnisses, wozu sowohl Mündlichkeit, Bild und eben auch Schrift gehören, ermöglichen ein Festigung und Aufrechterhaltung von Kultur (Erll 2003, S. 157). So können vergangene Ereignisse verortet, gedeutet und an sie erinnert werden (ebd., S. 159). Des Weiteren soll auch das Verständnis für Ost und West gefördert werden, indem die „Unkenntnis westdeutscher Jugendlicher über die Zeit der DDR“ (Kliewer 1994, S. 265; zitiert in Gansel 1996, S. 32) sowie die Probleme nach der Wiedervereinigung verringert werden (ebd.).

Häufig wird jedoch kritisiert, dass die kinder- und jugendliterarischen Texte zu stark vereinfacht wären und somit an ihre Grenzen stoßen müssten, wenn komplexe historische Ereignisse wie die in der DDR um 1989 beschrieben werden (vgl. Gansel 1996, S. 36). Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Ziel nie eine möglichst genaue Schilderung und Nacherzählung der historischen Ereignisse ist. Es geht viel mehr darum, dass die jungen Leserinnen und Leser sich ein Bild von den Geschehnissen machen können und auf unterhaltsame Art und Weise zum Nachdenken und zur Kommunikation angeregt werden.

Mit insgesamt fünf Kinder- und Jugendromanen, die sich der Wendeliteratur zuordnen lassen, haben wir uns auf unserem Blog näher auseinandergesetzt. Durchstöbert gerne unseren Blog – vielleicht ist ja ein geeignetes Buch für euch und eure Kinder dabei.

Literatur:

Cornelißen, C.: Was heißt Erinnerungskultur? Begriff, Methoden, Perspektiven. In: Geschichte und Unterricht. 2003, (54), S. 548-563.

Erll, A.: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. In: A. Nünning & V. Nünning (Hrsg.): Konzepte der Kulturwissenschaften: Theoretische Grundlagen – Ansätze – Perspektiven.Stuttgart/Weimar 2003, S. 157-185.

Gansel, C.: Zwischen Wirklichkeitserkundung und Stereotypenbildung: Vom Dilemma einer Jugendliteratur zur „Wende“. In: H.-H. Ewers (Hrsg.): Jugend- und Adoleszenzroman. Leipzig 1996 (4), S. 32-43.

Glasenapp, G. von/Wilkending, G.: Vorwort. In: dies.: Geschichte und Geschichten: die Kinder- und Jugendliteratur und das kulturelle und politische Gedächtnis. Frankfurt am Main 2005 (41), S. 7-14.

Kliewer, H. J./ Kliewer, U.: Schreiben nach der Wende. Jugendliteratur ostdeutscher Autoren zum Thema „Gewalt“. In: Diskussion Deutsch. Berlin/Heidelberg 1994 (25), S. 265.

Josting, P.: Wendeliteratur für Kinder und Jugendliche. In: G, Lange & W. Ziesenis (Hrsg.): Diskussionsforum Deutsch. Hohengehren 2008 (27), S. 39-53.

In der ersten Folge unseres Podcasts stellen wir euch das Kinderbuch „Fritzi war dabei: Eine Wenderwundergeschichte“ von der Autorin Hanna Schott vor.

  • Titel: „Fritzi war dabei – Eine Wendewundergeschichte“
  • Autorin: Hanna Schott
  • Illustratorin: Gerda Raidt
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Verlag: Klett Kinderbuch
  • ISBN: 978-3-95470-096-7
  • Preis: 8,00 € [DE], 8,30 € [A]

„Alles nur aus Zuckersand“

Titelbild „Alles nur aus Zuckersand“ https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/81l63ZYbX6L.jpg

„Der Westen ist auf der anderen Seite. Dort, wo unsere Hauptstraße zu Ende ist, beginnt West-Berlin. Es ist ein anderer Staat. Ausland. Unerreichbar wie Mauritius. Mein bester Freund Jonas erzählt mir viel über die Grenze zwischen Ost und West. Zu Hause reden wir gar nicht darüber.“

Kummer (2019: 7)

Die beiden zehnjährigen Freunde Fred und Jonas wachsen in Falkenwerder in der DDR auf und machen jeden Tag zu einem Abenteuer. Gerne spielen sie auf dem verlassenen Fabrikgelände, das an der Grenze zu West-Berlin liegt, obwohl das verboten ist. Als Jonas‘ Mutter einen Ausreiseantrag stellt, ändert sich für die besten Freunde jedoch alles. Freds Eltern verbieten ihm ab sofort den Kontakt zu Jonas und seiner Mutter, da sie nichts mit „Staatsfeinden“ zu tun haben möchten. Nur noch heimlich können die beiden Jungen sich treffen und beginnen, einen Plan zu schmieden. Gemeinsam wollen sie in der alten Fabrik einen Tunnel nach Australien graben. Denn auch wenn Jonas mit seiner Mutter bald die DDR verlassen wird, wollen die beiden Jungen Freunde bleiben und sich so bald wie möglich wiedersehen.

Dirk Kummer erzählt in seinem 2019 erschienenen Kinderbuch „Alles nur aus Zuckersand“ eine Geschichte über eine unzertrennliche und grenzenlose Freundschaft. Die Erzählung basiert auf Kummers Fernsehfilm „Zuckersand“ (2017) und erklärt die Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland einfühlsam und anschaulich aus den Augen des Kindes. Fred, aus dessen Sicht das Kinderbuch geschrieben ist, erzählt von seinem Alltag in der DDR, dem sozialistischen Deutschland. Dabei beschreibt er, welchen Einfluss das politische System auf die Schule und sein Zuhause haben und welche Auswirkungen es auch für diejenigen hat, die nicht der Sozialistischen Partei angehören, wie beispielsweise Jonas‘ Familie und der Nachbar Herr Malek. Schnell werden die Leserinnen und Leser von Jonas‘ und Freds Mut und dem Glauben an ihre Freundschaft gefesselt und stürzen gemeinsam mit ihnen in ein Abenteuer voll Aufregung, Mut und Unerschrockenheit. Trotz des einfachen Schreibstils ist der Roman nicht nur für Kinder ab 10 Jahren geeignet, sondern auch für alldiejenigen Jugendlichen und Erwachsenen, die interessiert an einer informativen, anschaulichen und eindrucksvollen kindlichen Erzählung über Ost- und Westdeutschland sind. „Alles nur aus Zuckersand“ ist ein lesenswerter, fesselnder und berührender Roman über die grenzenlose und unzertrennliche Freundschaft und mitreißende Geschichte über Fred und Jonas – über Ost und West.

  • Titel: „Alles nur aus Zuckersand“
  • Autor: Dirk Kummer
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Verlag: Carlsen
  • ISBN: 978-3-551-55390-4
  • Preis: 12,00 € [DE], 12,40 € [A]

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